DAS WUNDER DER WUNDHEILUNG

Nach einer Verletzung versucht der Körper, bereits nach wenigen Minuten und so schnell wie möglich eine Wunde zu verschließen und zerstörtes Gewebe zu ersetzen.

3 FORMEN DER WUNDHEILUNG

Nach ihrem Ablauf unterscheiden sich drei Formen der Wundheilung:

1. Epitheliale Wundheilung

Sie tritt nur bei oberflächlichen Verletzungen (Abschürfungen) der Epidermis auf. Die Hautzellen lassen die Wunde ohne Narbenbildung abheilen. Das geronnene Blut deckt die Wunde nach außen ab und verschorft beim Austrocknen zu einem „natürlichen Pflaster“. Hat sich neues Gewebe gebildet, fällt der Schorf ab.

2. Primäre Wundheilung

Sie gilt für glatte Schnittverletzungen ohne gravierenden Gewebeverlust, wie sie bei Operationen mit dem Skalpell entstehen. Der schmale Wundspalt verheilt ohne infektiöse Komplikationen innerhalb weniger Tage, bis nur noch eine feine Narbe zurückbleibt.

3. Sekundäre Wundheilung

Zu einer sekundären Wundheilung kommt es bei Verletzungen mit Gewebeverlust und klaffenden, unregelmäßigen Wundrändern und mit Entzündungen. Dabei wird die Lücke im Gewebe zunächst mit Granulationsgewebe aufgefüllt, bevor sich eine neue Haut über der Wunde bildet. Nach dem häufig langwierigen Heilungsverlauf bleibt eine deutlich erkennbare Narbe zurück.

Die 4 Phasen der Wundheilung

Bei der Wundheilung laufen komplexe morphologischen Vorgänge üblicherweise in vier Phasen ab:

1. Exsudative Phase (Ausschwitzen)

Schon kurz nach der Verletzung schließt sich die Wunde provisorisch. Die Gewebelücke füllt sich mit Wundsekret. Blutplättchen (Thrombozyten), Lymphe (Leukozyten) und Fibrinogen bilden einen Pfropf im Wundspalt. Zwischen den Blutplättchen bildet sich ein stabilisierendes Netz aus dem Eiweißstoff Fibrin. Die Blutplättchen aktivieren Immunglobuline sowie Wachstumsfaktoren für die Neubildung von Gewebe.

2. Resorptive Phase (Aufsaugen)

Zunächst wandern weiße Blutkörperchen (neutrophile Granulozyten) und Fresszellen in die Wunde ein, um Fremdkörper, Bakterien und andere Keime zu beseitigen. Die Fresszellen (Phagozyten, Makrophagen) nehmen geschädigte oder tote Zellen auf und zersetzen sie. Nekrotische Wundränder und Fibrinreste werden aufgelöst und abgebaut.

3. Proliferative Phase (Nachwachsen)

Etwa am dritten Tag nach der Verletzung beginnt der Körper, im Bereich der Wunde neue Zellen und Blutgefäße sowie Bindegewebe zu bilden. Bei glatten Schnittwunden wachsen die Wundränder einfach wieder zusammen. Bei unregelmäßigen Wundrändern bildet sich jetzt ein körniges Granulationsgewebe.

4. Reparative Phase (Wiederherstellung)

In dieser Phase baut sich eine neue Hautoberfläche auf. Vom Rand der Wunde wachsen neue Zellen ein. Die Wunde schließt sich allmählich. Die neu produzierten Bindegewebsfasern reifen aus und die Wunde zieht sich zusammen. Es entsteht eine reißfeste Narbe. Diese vierte Phase der Wundheilung kann bis zu einem Jahr dauern.

STÖRUNGEN DER WUNDHEILUNG – CHRONISCHE WUNDEN

Am biochemisch komplexen Wundheilungsvorgang sind viele unterschiedliche Zellen, Botenstoffe und Immunreaktionen beteiligt. Manchmal kommt es zu Behinderungen des Heilungsprozesses. Bei einer „chronischen Wunde“ zeichnet sich trotz sorgfältiger Behandlung nach acht Wochen noch keine endgültige Besserung ab.

Die Ursachen für chronische Wunden sind vielfältig:

  • Stoffwechselstörungen oder chronische Erkrankungen der Blutgefäße können Gerinnungsfaktoren beeinträchtigt.
  • Durch Sauerstoffmangel (Anämie) kann die Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen unzureichend sein,
  • Bei einer zu geringen Eiweißversorgung über die Leber oder die Ernährung kann der Körper kein neues Gewebe zur Wundheilung bilden.
  • Im höheren Lebensalter heilen Wunden langsamer als bei Jüngeren. Die Bildung neuer Zellen und Blutgefäße verzögert sich und die Reißfestigkeit von frischem Narbengewebe ist oft beeinträchtigt.
  • Manche Medikamente wie Zytostatika behindern die Bildung neuer Zellen.

Feuchte Wundversorgung als Standard

Kleinere Verletzungen heilen schneller, wenn die Wunde feucht gehalten wird. Die Hautregeneration verläuft rascher, es bilden sich weniger Narben und auch Infektionen treten seltener auf. Der Flüssigkeitsfilm in der Wunde transportiert körpereigene Botenstoffe und neuen Hautzellen zum Heilungsort. Zudem können Immunzellen wirksamer agieren, um Keime abzuwehren. Reparaturzellen können sich im feuchten Wundmilieu schneller teilen.

Alltagswunden richtig versorgen

Für die Versorgung von Alltagswunden reicht Leitungswasser aus. Denn Desinfektionsmittel behindern Makrophagen und neue Gewebezellen bei der Wundheilung. Bei Bagatellwunden wie Abschürfungen kommt es mit einer feuchten Wundversorgung nicht zu trockenen, harten Verschorfungen auf der sich neu bildenden weichen Haut, die durch Verspannungen den Juckreiz der Zellerneuerung verstärken.

Was passiert bei der Narbenbildung?

Ist die zweite Hautschicht (Lederhaut) geschädigt, entstehen Narben. Während der Wundheilung wandelt sich Granulationsgewebe schon bald in Narbengewebe um, das Kollagenfasern bildet. Diese Fasern sind jedoch nicht so verflochten, wie im ursprünglichen Gewebe und daher weniger elastisch und belastbar.

Kleine Verletzungen oder sauber vernähte Schnitte heilen mitunter so exakt wieder zusammen, dass das verbindende Narbengewebe nach ein paar Monaten mit bloßem Auge kaum mehr sichtbar ist. Bei großflächigen Hautdefekten, entzündeten Wunden oder Verletzungen, die unter Spannung stehen, bleibt jedoch oft ein auffällig sichtbarer Wulst zurück.

Eine Wunde kann abhängig von ihrer Größe innerhalb weniger Wochen heilen. Das Narbengewebe reift jedoch bis zu 12 Monate lang weiter. "Reife" Narben sind erkennbar blass, flach, weich und unempfindlich. Eine frische Narbe ist deutlich gerötet, kann schmerzen oder jucken, und steht oft auch leicht über das Hautniveau hinaus. Frische Narben reagieren besonders empfindlich auf UV-Strahlung. Im nachwachsenden Gewebe kann sich dann zu viel Melanin bilden und die Narbe dauerhaft dunkel verfärben.

In manchen Fällen kommen jedoch auch Schmerzen, Juckreiz oder Bewegungseinschränkungen, z. B. bei der Feinmotorik von Mimik oder Fingerbewegungen hinzu. Große Narben können auch unspezifische Organbeschwerden auslösen und die Schmerzschwelle in den betroffenen Körperbereichen erheblich senken.

Gestörte Narbenbildung

Hypertrophe Narben (Keloide) entstehen besonders häufig nach Verbrennungen oder wenn Wunden während der Heilung unter Spannung stehen. Die Haut bildet dann einen roten, juckenden und schmerzhaften Wulst aus Bindegewebe, der auch in gesunde Bereiche auswuchern kann. Keloide treten häufig im Gesicht, an den Ohren und vor dem Brustbein auf. Ihre Ursachen sind noch unklar. Genetische und hormonelle Faktoren könnten eine Rolle spielen.

Hauttransplantation

Ist ein Wundverschluss mit einer Naht nicht möglich, kann eine Hauttransplantation sinnvoll sein – vor allem nach Verbrennungen, chronischen Geschwüren oder Operationen mit großem Hautverlust. Dauerhafte Hauttransplantate können nur mit eigener Haut durchgeführt werden. Fremdtransplantate dienen zur Überbrückung. Es ist möglich, ganze Hautstücke (Vollhaut) an einer Stelle zu entnehmen und an anderer Stelle einzusetzen. Oft reicht es, dünne Schichten der Oberhaut zu verpflanzen, die dann auf der Wunde zum Ausgangspunkt für die Hautregeneration werden kann.

 

Letzte Aktualisierung: 23.03.2021

REFERENZEN

Quelle:
Modifiziert nach: Protz K., Timm J. H., Moderne Wundversorgung, 8. Auflage 2016, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, ISBN: 9783437278853, Zugriffsdatum 27. Mai 2018: 
https://shop.elsevier.de/moderne-wundversorgung-9783437278853.html?gclid=EAIaIQobChMIkeC81cSi2wIVZLftCh3a1gVdEAQYAiABEgI21fD_BwE