PHYSIOLOGIE DER ATMUNG

Der Mensch atmet ohne Unterbrechung und ohne, dass er sich darum kümmern muss – etwa 23.000 Mal täglich, rund um die Uhr. Mithilfe der Atmung nimmt der Körper Sauerstoff auf, den er für lebensnotwendige Stoffwechselvorgänge braucht.

Die Medizin unterscheidet in zwei Atemformen:

  • Äußere Atmung: Das „Atemholen“ oder die Lungentätigkeit, als ein anatomisch-physiologischer Vorgang des Gasaustausches.
  • Innere Atmung: Die biochemischen Vorgänge in den Körperzellen, um den aufgenommenen Sauerstoff weiterzuverarbeiten.

1. Die äußere Atmung

  • Atmung durch Nase, Mund und Luftröhre

Über Mund oder Nase atmet ein Mensch ein und aus. Im Ruhezustand nutzt er typischerweise die Nase, bei Anstrengung kommt die Mundatmung hinzu. Zunächst reinigen, befeuchten und wärmen die Flimmerhärchen und Schleimhäute der Nase die Atemluft. Die Luft strömt über den Rachenraum, den Kehlkopf und die Stimmlippen durch die Luftröhre (Trachea). Sie besteht aus bis zu 20 hufeisenförmigen Knorpelspangen, die durch Bänder und Muskeln zusammengehalten werden. Auch hier reinigen winzige Flimmerhärchen die Luft.

  • Atmung in der Lunge

Auf Höhe des 5. Brustwirbels teilt sich die Luftröhre in die beiden Hauptäste der Bronchien, die sich jeweils in den linken und rechten Lungenflügel verzweigen. Wandknorpel schützen das Röhrensystem der Bronchien. Sie versorgen mit ihren feinen Verästelungen die Lunge möglichst optimal mit Atemluft. Am Ende erreicht die Luft in die ungeschützten Bronchiolen, die in die Lungenbläschen (Alveolen) münden. In den Alveolen findet der tatsächliche Gasaustausch mit dem Rest des Körpers statt. Rund 300 Millionen Lungenbläschen versorgen den Körper auch bei großer Anstrengung mit Sauerstoff. Die Gesamtfläche der Lungenbläschen-Membranen beträgt über 100 Quadratmeter.

  • Sauerstoffaustauch mit dem Blut

Durch die dünne Lungenbläschen-Membran gelangt der Sauerstoff in den Blutkreislauf, der ihn in alle Zellen des Körpers transportiert. Dabei heftet sich der Sauerstoff an das Eiweiß Hämoglobin der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Die Lungenbläschen funktionieren in zwei Richtungen. Das heißt, sie geben den verbrauchten Sauerstoff aus dem Blut in Form von Kohlendioxid beim Ausatmen wieder nach außen ab.

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  • Einatmen mit Unterdruck

Um den Energieaufwand beim Einatmen möglichst gering zu halten, arbeitet die Lunge mit Unterdruck:

- Beide Lungenhälften füllen die von den Rippenbögen gebildete Brusthöhle weitgehend aus. Zwischen Brustwand und Lunge bleibt nur ein schmaler, mit Flüssigkeit gefüllter Spalt: die Pleurahöhle. Die Pleurahöhle erlaubt es der Lunge, ohne Reibung an der Brustwand entlang zu gleiten. - Gleichzeitig bleibt das Volumen der Pleurahöhle bei Gesunden immer konstant. Aufgrund der Flüssigkeit in der Pleurahöhle entsteht dort zum Einatmen (ohne Luft in der Lunge) ein Unterdruck, so dass die Atemluft einfacher in die Lunge strömt. Außerdem verhindert der Unterdruck, dass die elastischen Lungenflügel in sich zusammenfallen.

  • Das Zwerchfell unterstützt die Atmung

Das Zwerchfell übernimmt zusammen mit den Zwischenrippenmuskeln die aktive Erweiterung des Brustraums. Beide stellen so die erforderliche Druckdifferenz zwischen Lungenraum und Umgebung her. Das Ausatmen funktioniert bei Gesunden passiv, indem sich Zwerchfell und Zwischenrippenmuskeln entspannen. Dabei hilft die Rückstellkraft der Brust- und Bauchwand. Außerdem zieht sich das elastische Lungengewebe in seine Ausgangslage zurück.

  • Bauchatmung und Brustatmung

Bei der Bauchatmung (abdominale Atmung) übernimmt vor allem das Zwerchfell die Atemarbeit. Der Brustkorb hebt sich dabei deutlich sichtbar. Im Schlaf oder bei entspanntem Körper sind alle Menschen Bauchatmer. Bei der Brustatmung (thorakale oder costale Atmung) sind vor allem die Zwischenrippenmuskeln aktiv. Hier wölbt sich der Bauch. Frauen nutzen mehrheitlich die Brustatmung. Männer, Säuglinge und ältere Menschen sind Bauchatmer.

  • Was heißt „Hautatmung“?

Neben der Lunge ist auch die Haut an der äußeren Atmung beteiligt. Bei der Hautatmung (Perspiration) findet der Austausch von Atemgasen durch die Haut statt. Der Sauerstoff gelangt dabei jedoch nur bis in den obersten halben Millimeter der Haut. Der Anteil der Hautatmung am Gesamtvolumen der Atmung liegt beim Menschen weit unter einem Prozent. Nur die Zellen der Hornhaut (Cornea) des Auges sind auf die Hautatmung angewiesen, da ihnen Blutgefäße zur Sauerstoffversorgung fehlen. Daher müssen Kontaktlinsen sauerstoffdurchlässig sein.

2. Die innere Atmung

  • Was geschieht mit dem Sauerstoff?

Die „innere Atmung" beginnt dort, wo das Hämoglobin der roten Blutkörperchen den Sauerstoff an die Körperzellen abgeben. Die Körperzellen brauchen Sauerstoff, um Adenosintriphosphat (ATP) herzustellen. Das energiereiche ATP-Molekül besteht aus Adenosin und drei Phosphatgruppen. Es stellt die Energie für alle Zell-Prozesse zur Verfügung. Die ATP-Herstellung findet in den Mitochondrien – den Kraftwerken der Zelle – statt. Dazu verbrauchen die Mitochondrien Energie aus der Nahrung – insbesondere aus den Kohlehydraten und deren Bausteinen: den Glucose-Molekülen (Traubenzucker). Die Nahrungsbausteine gelangen über den Blutkreislauf zu den Körperzellen und weiter in die Mitochondrien.

  • Die Atmungskette

Die Zelle kann die energiereiche Glucose nicht direkt nutzen. Dazu setzt sie Sauerstoff ein. Sie „verbrennt“ ein Molekül Glucose (C6H12O6) mit sechs Molekülen Sauerstoff (O2). So entstehen sechs Moleküle Kohlendioxid (CO2), sechs Moleküle Wasser (H2O) und vor allem Energie, die die Mitochondrien zur Herstellung von ATP verwenden. Der Körper schleust die Abfallprodukte Kohlendioxid und den Wasserdampf beim Ausatmen über die Lunge aus. Für diese einfache chemische Reaktion findet eine Reihe komplexer Stoffwechselschritte statt – darunter der Zitronensäurezyklus, um den erforderlichen hochreaktiven Wasserstoff herzustellen.

 

Letzte Aktualisierung: 11.05.2021

 

REFERENZEN

Modifiziert nach: Schmidt, Robert F., Lang, Florian, Heckmann, Manfred (Hrsg.), Physiologie des Menschen, Mit Pathophysiologie, 31. Auflage (2011), Springer-Verlag Berlin Heidelberg, ISBN 978-3-662-54121-0, Zugriffsdatum 17. Mai 2018: 
https://www.springer.com/de/book/9783662541210#aboutBook