AUFBAU DER WIRBELSÄULE

Die Medizin kennt bis zu 800 Formen neuromuskulärer Erkrankungen mit unterschiedlichem Verlauf und (häufig nicht bekannten) Ursachen. Muskelerkrankungen sind vergleichsweise selten1.

3 Formen von Muskelerkrankungen – je nach Ort des Entstehens

Muskelerkrankungen lassen sich nach dem Ort ihres Entstehens einteilen:

  • (1) Erkrankungen, bei denen die Motoneurone (Nervenzellen der Bewegung) betroffen sind (darunter ALS und Muskelatrophien),
  • (2) Erkrankungen, bei denen Defekte an den Nervenleitungen von den Motoneuronen zum Muskel vorliegen ((Poly)neuropathien) und
  • (3) Erkrankungen, bei denen die Muskelfaser selbst betroffen ist (Muskeldystrophien, Myopathien, Muskelentzündungen) 1.

1. Muskelerkrankungen der Nervenzellen

Bei diesen Erkrankungen sterben Motoneurone im Rückenmark und Gehirn ab, Bewegungsimpulse bleiben stecken und schließlich verkümmern die Muskeln. Zu den bekannteren dieser Erkrankungen zählen die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und die Spinale Muskelatrophie (SMA) 1.

Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Bekannt wurde ALS durch den Physiker Stephen Hawking. Ihre Ursache ist bis heute unbekannt. Meist beginnt die Erkrankung nach dem 50. Lebensjahr. Erste Beschwerden zeigen sich vorwiegend in der Hand- und Unterarmmuskulatur beim Zähneputzen oder Schreiben. Die Muskulatur versteift und schwindet nach und nach. Lähmungen treten mit der Zeit am ganzen Körper auf. Die Bewegungsunfähigkeit betrifft auch die Gesichtsmuskulatur. Die Betroffenen können innerhalb weniger Jahre nicht mehr sprechen, schlucken und schließlich auch nicht mehr atmen. Bislang gibt es ein zugelassenes Medikament, das jedoch den Verlauf nur verlangsamen kann 1.

Spinale Muskelatrophie (SMA, Muskelschwund)
In Deutschland leben etwa 5.000 Menschen mit SMA, etwa zwei Millionen Menschen sind Überträger [2]. Die spinale Muskelatrophie ist eine rezessiv vererbte Krankheit. Tragen beide Elternteile das mutierte Gen, kommt rein rechnerisch eines von vier Kindern mit SMA zur Welt. Das Fehlen eines wichtigen Gens im Erbgut, das survival motor neuron-Gen (SMN1), führt dazu, dass motorische Nervenzellen im Rückenmark absterben. In manchen Fällen sind auch Hirnnerven betroffen. Dann können diese Patienten zusätzlich zu ihren körperlichen Lähmungen nicht mehr schlucken, kauen und sprechen. SMA kann in drei Formen auftreten:
(1) Den schwerwiegendsten Verlauf zeigt die häufigste, infantile Form. Bereits beim Ungeborenen können Nervenschädigungen einsetzen, so dass bei der Geburt der Muskeltonus zu niedrig ist. Diese Kinder sterben innerhalb der ersten zwei bis drei Lebensjahre durch Versagen der Atemmuskulatur.
(2) Die intermediäre SMA-Form betrifft Kinder zwischen sieben und 18 Monaten. Auch sie erleben nur selten den 20. Geburtstag.
(3) Nach dem 18. Monat treten mildere SMA-Formen auf. Ihre Lebenserwartung ist kaum eingeschränkt.

Die Therapie der SMA richtet sich nach den Beschwerden. Frühzeitige Maßnahmen können bei der infantilen und intermediären Form das Leben des Kindes verlängern 1.

2. Muskelerkrankungen an den Nervenleitungen

Kribbelnde Beine oder Missempfindungen an der Hautoberfläche – diese Beschwerden gehören zu den Krankheitsbildern der Polyneuropathien. Bei Polyneuropathien sind die Nervenfortsätze beschädigt, die vom Rückenmark zu den „ausführenden Organen“ wie Gesicht, Sinnesorgane, innere Organe oder Gliedmaßen führen. Die gestörte Steuerung von Muskelgruppen spüren die Betroffenen zunächst meist an den Beinen.

Vererbte Muskelerkrankungen an den Nerven
Die „Neurale Muskelatrophie“ fasst die Medizin heute als eine Reihe von „hereditär motorisch-sensorischen Neuropathien (HMSN)“ zusammen. Bei diesen Erbkrankheiten sterben Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks durch einen Gendefekt langsam ab. Bei allen Verlaufsformen treten zunächst Beschwerden an den Füßen auf, die sich langsam auf die Unterschenkelmuskulatur ausweiten. Aufgrund des langsamen Verlaufs kommt es erst im höheren Lebensalter zu Mobilitätseinschränkungen. Eine ursächliche Therapie gibt es nicht.

Daneben können Viren, Bakterien oder Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus zu Polyneuropathien mit sehr unterschiedlichem Verlauf führen 1.

3. Erkrankungen der Muskulatur - Myopathien

Bei allen Formen von Myopathien (Erkrankungen des Muskels) tritt eine Schwächung der Muskulatur auf. Die Reizempfindlichkeit der Nervenfasern ist hingegen nicht beeinträchtigt. Zumeist haben Myopathien genetische Ursachen (Muskeldystrophie).

Muskeldystrophie Duchenne
Bei der schwersten und häufigsten Form – Muskeldystrophie Duchenne – stellt der Körper Dystrophin fehlerhaft her, ein wichtiges Strukturprotein zur Muskelfaserstabilisierung. Der Gendefekt tritt rezessiv vererbt auf dem X-Chromosom und damit nur bei Jungen auf. Die betroffenen Kinder können aufgrund einer Muskelschwäche im Beckengürtel nur schwer aufstehen und kaum rennen. Nach und nach greift die Muskelschwäche auf andere Muskeln über. Fettzellen ersetzen teilweise die zerstörten Muskelzellen, so dass viele Patienten ihre Gehfähigkeit verlieren. Die Wirbelsäule krümmt sich nach vorne (Skoliose). Die Atemmuskulatur und der Herzmuskel werden schwächer. Die meisten Erkrankten sterben im jungen Erwachsenenalter. Seit 2014 gibt es ein Medikament, das in den Muskelzellen wieder eine funktionierende Dystrophin-Produktion herbeiführen soll.

Andere Formen der Muskeldystrophien
Andere Dystrophien treten erst im Erwachsenenalter auf. Die rezessiv X-chromosomal vererbte Muskeldystrophie Becker verläuft deutlich langsamer und mit weniger Einbußen der Mobilität. Vor allem die Beteiligung des Herzmuskels beeinflusst die Überlebenszeit. Gliedergürteldystrophien betreffen Jungen wie Mädchen und verlaufen gutartiger. Die Muskelschwäche beginnt häufig in der Oberschenkelmuskulatur 1.

Muskelentzündungen – Störungen des Immunsystems
Verschiedenen Formen von Muskelentzündungen gehören zu den eher seltenen Autoimmunerkrankungen, die in jedem Alter auftreten können. Von Dermatomyositis (mit Hautausschlag) und Polymyositis (ohne Hautausschlag) sind überwiegend Frauen betroffen. Die Einschlussmyositis befällt vor allem ältere Männer. Meistens ist die Bein- und Armmuskulatur geschwächt. Vor allem bei der Einschlussmyositis treten leichte Muskelschmerzen auf, die einem Muskelkater ähneln 1.

Myasthenie gravis
Bei der Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis greifen Antikörper meist die motorische Endplatte an, wo der Nervenimpuls auf die Muskelfasern übertragen wird. Betroffenen fallen die Augenlider zu. Das Sprechen, Kauen und Schlucken fällt ihnen schwer. Im fortgeschrittenen Stadium kommen Beeinträchtigungen der Arm- und Beinmuskulatur hinzu. Meistens können die Beschwerden medikamentös gut behandelt werden. Bei jüngeren Patienten gibt es auch eine operative Option 1.

Letzte Aktualisierung: 11.05.2021

REFERENZEN

[1] modifiziert nach: Hacke W. (Hrsg.), Neurologie, 14. Auflage 2016, Springer-Verlag, ISBN: 978-3-662-46891-3, Zugriffsdatum 13. Mai 2018: https://www.springer.com/de/book/9783662468913
[2] Erklärung der Krankheit SMA, Deutsche Muskelstiftung, Zugriffsdatum 13. Mai 2018: http://www.muskelstiftung.de/index.php/spinale-muskelatrophie/erklaerung-der-krankheit-sma