KULTURGESCHICHTE DES ESSENS
„Es war einmal der Mensch…“ – hieß eine beliebter Zeichentrick-TV-Serie über die Menschheitsgeschichte aus den 1980er Jahren 1. Auch dort wurde deutlich: Die Geschichte der Menschheit und die des Essens hängen eng zusammen oder sogar voneinander ab.
Steinzeit: Nahrung jagen oder sammeln
Wissenschaftler errechneten, dass unsere frühen Vorfahren bis zu fünf Kilogramm Nahrung pro Tag zu sich nahmen. Die Steinzeitjäger jagten vor allem Tiere oder ernährten sich von Wurzeln, Beeren, Wildkräutern und Nüssen. Die Entdeckung des Feuers ermöglichte das Garen. Mit neuen Werkzeugen wie Messer konnte das Fleisch zerkleinert werden. Diese neuen Essgewohnheiten veränderten den Kauapparat. Der Kiefer und die Zähne des Homo sapiens waren entsprechend kleiner als die seiner Vorfahren wie etwa der Neandertaler 2.
Ende der Eiszeit: Startschuss für Ackerbau und Viehzucht
Nach der letzten Eiszeit begannen die jungsteinzeitlichen Menschen, sesshaft zu werden. Wo landwirtschaftlich gelebt wurde, wuchs die Bevölkerung und verdrängte die Nomadenkultur. Etwa 4.000 v. Chr. hatten sich in der Alten Welt Ackerbau und Viehzucht als Wirtschaftsgrundlage durchgesetzt. Die Sumerer brauten damals Bier, die Ägypter buken seit etwa 5.000 v. Chr. Brot. Von Ägypten aus erreichte die Brotbackkunst über Griechenland und das Römische Reich erst sehr viel später Mitteleuropa. In Folge der sogenannten „neolithischen Revolution“ (Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht) lebten zum ersten Mal größere Bevölkerungsgruppen zusammen, die landwirtschaftliche Gebiete gemeinsam bewirtschafteten 2.
Landwirtschaft schafft Hochkulturen
In besonders ertragreichen Gegenden entstanden Siedlungen mit Zehntausenden von Einwohnern. Um 3.000 v. Chr. schufen die Bewohner inmitten von Wüsten und Halbwüsten (Ägypten und Mesopotamien) Oasendörfer, wo sie Hülsenfrüchte und ertragreiche Getreidesorten anbauten. Auch im Industal, in Nordchina und Südamerika entstanden erste Hochkulturen mit ersten Städte wie Jericho, Troja, Milet, Babylon und Jerusalem 2.
Bei den Römern: Brot als Mittel der Politik
Weil Ackerbau Nahrung für viele versprach, führte die Suche nach fruchtbarem Boden schon bei den „alten Römern“ zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Je größer das Römische Reich wurde, desto mehr Legionäre mussten mit Mehl versorgt werden. Missernten führten immer wieder zu Versorgungsengpässen in der Bevölkerung. Dem römischen Heer standen aber große Getreidevorräte zur Verfügung – nur so konnte das Reich expandieren und die Grenzen verteidigen. Schon im alten Rom war man sich bewusst, dass ein Mangel an Brot für Unruhen sorgte. Die Formel „Brot und Spiele“ sorgte daher weitgehend für Frieden im Römischen Reich 2.
Ernährung mit Klassenunterschieden
Im Römischen Reich aßen die einfachen Menschen sehr bescheiden. In der frühen Republik im 4. Jahrhundert v. Chr. bestand die Ernährung meist aus Brot, Spelzweizenbrei, Hülsenfrüchten, Rüben und rohen Zwiebeln. Die Provinzen in Spanien, Afrika, Mazedonien, Griechenland und Asien bereicherten das Reich mit nie dagewesenem Luxus. Die eroberten Ländereien, durften jedoch nicht von italienischen Bauern bewirtschaftet werden. Sie mussten im Bürgerheer der Republik ihr Leben riskieren und verarmten, weil sie sich nicht um ihre Felder kümmern konnten. Immer mehr Bauern zogen in die Städte. Dadurch kamen schon in der Römischen Republik erste „Fast Food-Tendenzen“ auf. Das Mittagessen verkam zu einem schnellen, im Vorübergehen eingenommenen Imbiss. Das Abendessen dagegen etablierte sich als Statussymbol der besitzenden Stände 2.
Nahrungsmittel in reichlicher Auswahl
Dank des blühenden Handels stand den reichen Familien eine unglaubliche Auswahl an Lebensmitteln zur Verfügung. Doch nur die Oberschicht profitierte von dem erworbenen Wohlstand. Arme Römer bekamen zwar Getreidezuteilungen und römische Bürger mussten nicht mehr als Legionäre im Heer kämpfen. Der Großteil der Bevölkerung ernähre sich von Dinkelbrei, ab dem zweiten Jahrhundert v. Chr. kamen Weizenbrot und Hülsenfrüchte dazu. Über die griechischen Einwanderer etablierte sich das Backhandwerk im römischen Reich. Die Griechen wiederum kannten die Kunst des Brotbackens von den Israeliten aus Ägypten. Der Wein war so günstig, dass auch ein Durchschnittsbürger ihn zu jeder Mahlzeit, genießen konnte 2.
Im alten Rom: Essen als kulturelles Ereignis
Die Tafelfreuden der reichen Römer zeichneten sich nicht nur durch üppige, hochwertige und exotische Zutaten aus. Deren Präsentation oder gar Inszenierung war ebenso wichtig wie der kulturelle Rahmen, der - je nach Gastgeber - aus Tafelmusik, literarischen Gesprächen und philosophischen Reden bestand 2.
Frühmittelalter: Salz – das weiße Gold als Machtfaktor
Salz und Pfeffer sind heute auf jedem Tisch eine Selbstverständlichkeit. Weil das Salz für den Menschen überlebenswichtig ist, gehört es zu den ältesten Handelsgütern. Wegen seiner natürlichen Salzvorkommen entwickelte sich schon ab 800 v. Chr. im österreichischen Hallstatt ein reger Salzhandel, der zu Wohlstand führte und die so genannte „Hallstattkultur“ hervorbrachte. Städte und Orte, die Salz fördern konnten, wurden im Mittelalter reich. Salz war gleichbedeutend mit Macht. Das „weiße Gold“ führte zu regelrechten Salzkriegen, etablierte aber auch neue Handelswege. Den Friesen brachte der Salzhandel nicht nur Pelze ein. Über Byzanz traf Seide aus China ein, über arabische Zwischenhändler bereicherten exotische Gewürze die Küche 2.
Mittelalterkost: Brei, Brot, Huhn und Schwein
Im Mittelalter folgten auf die „goldenen Jahre“ im 11. bis 13. Jahrhundert ein kühleres Klima. Hungersnöte suchten die Bevölkerung heim. Getreidebreie und -grützen sowie Hülsenfrüchte bildeten die Ernährungsgrundlage, was bei Missernten dramatische Folgen hatte. Etwa ab dem 13. Jahrhundert kamen Brot und Wein auch bei den einfachen Leuten auf den Tisch. Die ärmere Bevölkerung ernährte sich hauptsächlich von Roggenbrot, Weizen war den Wohlhabenden vorbehalten. Hausschwein und Haushuhn bereicherten als wichtigste Fleischlieferanten den mittelalterlichen Speiseplan. Sie waren auch in den Städten einfach zu halten und bevölkerten die Straßen. Nördlich der Alpen dürfte ein Bürger durchschnittlich 100 Kilogramm Fleisch pro Jahr verspeist haben. Wegen des hohen Fleischbedarfs entwickelte sich ein reger Viehhandel. Frischer Fisch war auch für die Bauern – allein schon wegen der vielen Fastentage – unverzichtbar 2.
Ernährungsgewohnheiten je nach Geldbeutel
Zwar unterschied sich auch im Mittelalter die Kost von armer und reicher Bevölkerung. Doch die Zutaten waren im Großen und Ganzen die Gleichen – abgesehen davon, dass der Adel sich das Jagdrecht vorbehielt und mehr Fleisch verspeiste. Dafür verschmähte er das Gemüse, das als Bauernkost galt. Aber auch in wohlsituierten Familien bestanden die Mahlzeiten zu einem großen Anteil aus Brot. Während die einfache Bevölkerung früh frühstückte, um 12 Uhr Mittag und um 18 Uhr zu Abend aß, nahm der Adel nur zwei Mahlzeiten zu sich 2.
Gewürze – Motor für Entdeckungsreisen
Die Gier nach neuen Gewürzen war auch die Motivation für spanische und portugiesische Seefahrer, neue Kontinente zu erobern. Um die teuren Zölle zu umgehen, suchten sie gegen Ende des 15. Jahrhunderts nach einem direkten Weg zum asiatischen Kontinent. Auf der Suche nach einem neuen Seeweg zu den „Gewürzinseln“, aber auch in der Hoffnung auf Gold entdeckte Kolumbus 1492 die neue Welt. Die Gier nach Pfeffer und exotischen Gewürze führte einer ersten Globalisierungswelle. Spanien und Portugal teilten sich die neu eroberten Kontinente auf: Portugal etablierte sein Handelsimperium in Südostasien und in Brasilien, Spanien im Rest der „Neuen Welt“ und auf den Philippinen 2.
Neue Lebensmittel aus der Neuen Welt
Die „Entdecker“ bereicherten die Küchen Europas mit Nahrungsmitteln aus den fernen Ländern: Die Spanier brachten die Kartoffel und die Tomate aus den Anden mit, auch Mais und die Kaffeebohne kamen aus Mittelamerika. Aus Indien und dem Indischen Ozean trafen die begehrten Gewürze Pfeffer, Gewürznelke und Vanille ein. Die große Nachfrage nach Zucker in der Renaissance machte Portugal sogar abhängig von Brasilien. Zucker und Sklaven, die auf den Zuckerrohrplantagen arbeiteten, waren die wichtigste Tauschwährung.
Lebensmittel verändern Machtgefüge
Der Austausch mit der Neuen Welt veränderte die bewährten Handelswege und drängte die Handelsmetropole Venedig zurück. Stattdessen wurde Sevilla zum Zielhafen der Silberflotten aus Amerika, die Atlantikküste von Gibraltar bis zum Ärmelkanal löste Venedig als Drehscheibe des Handels ab. In Antwerpen legten portugiesische Gewürzflotten ebenso an wie Salztransporte aus der Ostsee und Edelmetalle aus Mitteleuropa. Aus dem Ostseeraum kamen große Getreideschiffe und Schiffe mit Rindern nach Zentraleuropa. Die Ostsee lieferte auch eine wichtige Grundlage für die Entdeckerfahrten: Ohne die Heringe, die mit Lüneburger Salz haltbar gemacht wurden, hätten die Schiffsmannschaften ihre Fahrten nicht überlebt.
Das Brot und die Französische Revolution
Das Brot hat nicht nur im alten Rom, sondern über die Jahrhunderte Geschichte geschrieben. Im so genannten „Mehlkrieg“ plünderte sechs Jahre vor der Französischen Revolution die hungernde Bevölkerung in und um Paris 1.300 Bäckereien, weil man für einen Sack Mehl ein ganzes Monatsgehalt ausgeben musste, während in den Adelshäusern und am Königshof nach allen Regeln der Kunst geprasst wurde. 1789 war wieder das Brot der Auslöser für Unruhen, die zur französischen Revolution führten. In kurzer Zeit hatte sich der Brotpreis verdoppelt. Wobei ein Drittel des Erlöses dem König zufloss. Doch anstatt die Brotpreise zu senken, mobilisierte der französische König seine Truppen. Der Ausgang ist bekannt: König und Königin (und mit ihnen ein großer Teil des französischen Adels) verloren ihre Köpfe unter der Guillotine.
Erste Restaurants durch die Französische Revolution
Übrigens bescherte die Französische Revolution Europa auch die ersten Restaurants. Wer vor 1789 gehoben speisen wollte, konnte das nur in privater Umgebung tun. Als den Köchen im Verlauf der Französischen Revolution ihre adligen Arbeitgeber abhandenkamen, mussten sie sich nach neuer Arbeit umsehen. Viele von ihnen eröffneten Restaurants. Im Laufe des 19. Jahrhunderts etablierte sich so die Profession des Restaurantkochs, der mit einer gehobenen Speisenkarte das aufstrebende Bürgertum verwöhnte. Von Frankreich ausgehend verbreiteten sich Restaurants zunächst über die Metropolen in ganz Europa.
Industrielle Revolution für das Essen: Einfrieren und Konservieren
Mitte des 19. Jahrhunderts setzten die industrielle Verarbeitung von Lebensmitteln und der gleichzeitige Ausbau der internationalen Verkehrsnetze ein, die den Zustrom in die Städte förderte. Die Konservenindustrie schuf genug Arbeitsplätze in den Fabriken und ausreichend Lebensmittelvorräte für die explodierenden Großstädte. Das erste Kühlschiff mit maschineller Kühlung transportierte 1876 über 25 Tonnen Rindfleisch aus Buenos Aires nach Frankreich. Die Industrialisierung der Landwirtschaft legte so den Grundstein für das Wirtschaften mit Überfluss.
Letzte Aktualisierung: 11.05.2021
REFERENZEN
Quellen:
[1] Zugriffsdatum 19. April 2018: https://www.fernsehserien.de/es-war-einmal-der-mensch
[2] modifiziert nach Hirschfelder G, Europäische Esskultur – Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute, Campus Verlag, 2005, ISBN-10: 3593379376, http://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/geschichte/europaeische_esskultur-2583.html