MEDIKAMENTE IM ALTER
Menschen im höheren Lebensalter sind häufig von mehreren Erkrankungen gleichzeitig betroffen (Multimorbidität). Hinsichtlich einer Arzneimitteltherapie stehen sie vor zwei Herausforderungen:
1. Multimorbidität führt häufig zur Polypharmazie
Multimorbide ältere Patienten sind häufig auf eine Vielzahl von Medikamente angewiesen (Polypharmazie), die miteinander möglicherweise in Wechselwirkung treten können.
2. Andere Stoffwechsel-Situation im Alter - Pharmakokinetik
Ältere Patienten setzen Medikamente von der Aufnahme bis zum Ausscheiden meist anders um, als jüngere Erwachsene (Pharmakokinetik).
Medikamente funktionieren im Alter anders
Im höheren Lebensalter können die folgenden Faktoren die Wirkung von Medikamenten beeinflussen:
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Menschen mit einer Herzerkrankung können häufig Medikamenten nicht oder nur verzögert aus dem Magen-Darm-Trakt aufnehmen.
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Ältere weisen häufig mehr Körperfett auf als Jüngere – bei einem verminderten Wassergehalt und weniger Muskelmasse. Daher verteilen sich wasser- oder fettlösliche Arzneimittel anders. In der Folge kann sich die Wirksamkeit der Medikamente verstärken oder verringern.
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Viele Medikamente werden im Blut an Eiweiße gebunden und wirken daher verzögert. Diese Bluteiweiß-Menge vermindert sich bei älteren Patienten. Angesichts der durch Polypharmazie häufig erhöhten Arzneimittelmenge, steht nicht genug Bluteiweiß für alle Arzneimittel zur Verfügung.
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Der Arzneimittelabbau in der Leber und die Ausscheidung über die Nieren kann sich aufgrund reduzierter Organ-Funktionen oder deren Schädigung verzögern.
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Die Folge aus der verminderten Eiweißbindung und der verzögerten Ausscheidung von Medikamenten ist: Ihre wirksame Menge im Körper kann sich erhöhen und unter Umständen zu Vergiftungen führen.
Aufgrund dieses Anreicherungs-Risikos, wird die Blutkonzentration bestimmter Medikamente bei Älteren regelmäßig mit kontrolliert. In manchen Fällen erhalten ältere Patienten eine geringere Dosis als jüngere Erwachsene.
Medikamente im Alter wirken anders (Pharmakodynamik)
Neben dem veränderten Stoffwechsel kann sich auch die Wirkung mancher Medikamente auf bestimmte Organe verändern – beispielsweise können sich die Wirkungen von Beruhigungs- oder Aufputschmitteln umkehren 1.
PRISCUS-Liste – wichtige Medikamenten-Liste für Ältere
Manche Medikamente gelten heute als grundsätzlich bedenklich bei Patienten im höheren Lebensalter. Die in Deutschland seit 2010 geltende PRISCUS-Liste enthält 83 Medikamente, die für Menschen im höheren Lebensalter ungeeignet sind. Sie entstand nach dem US-amerikanischen Vorbild der „Beers-Liste“ 2. In einer Studie der Universität Freiburg unter Pflegeheimbewohnern erhielten über 40 Prozent der über-65-jährigen Patienten mindestens ein Medikament der Gruppe „potenziell altersinadäquate Medikation“ (PIM) nach der PRISCUS-Liste 3.
Mehr Übersicht mit dem Medikationsplan
Seit 01. Oktober 2016 gilt der bundeseinheitliche Medikationsplan. Sein Ziel ist es, unabgestimmte gleichzeitige Arzneimittelgaben zu vermeiden. Patienten mit mindestens drei rezeptpflichtigen, dauerhaft eingenommenen Arzneimittel haben einen Anspruch darauf, dass ihr behandelnder Arzt den Medikationsplan für sie ausstellt 4.
Letzte Aktualisierung: 02.08.2019
REFERENZEN
[1] Modifiziert nach: Wehling M., Burkhardt H. (Hrsg.). Arzneitherapie für Ältere, 4. Auflage 2016, Springer Verlag, ISBN 978-3-662-48125-7, Zugriffsdatum 01. Juni 2018:
https://www.springer.com/de/book/9783662481257
[2] Die PRISCUS-Liste, Medikamente im Alter, Herausgeber: Deutsche Seniorenliga e.V., Zugriffsdatum 01. Juni 2018: http://medikamente-im-alter.de/priscus.html
[3] Siegmund-Schultze N, Polypharmakotherapie im Alter: Weniger Medikamente sind oft mehr, Dtsch Arztebl 2012; 109(9): A-418 / B-360 / C-356, Zugriffsdatum 01. Juni 2018:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/123048/Polypharmakotherapie-im-Alter-Weniger-Medikamente-sind-oft-mehr
[4] Medikationsplan, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Zugriffsdatum 01. Juni 2018:
http://www.kbv.de/html/medikationsplan.php