GEHIRNFORSCHUNG UND NEUROWISSENSCHAFTEN

Die Geschichte der modernen Gehirnforschung beginnt um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit Santiago Ramón y Cajal und Camillo Golgi. Sie führten unter anderem Untersuchungen zur komplexen Vernetzung von Nervenzellen (Neuronen) an Nervenfasern von Hühner-Kleinhirnen. Inzwischen haben sich die technischen Möglichkeiten der Gehirnforschung erheblich weiterentwickelt.

EEG – als Grundlage der Gehirnforschung

Standardmessmethode für die Neurologie und Gehirnforschung ist die Elektroenzephalographie (EEG). Ein EEG misst Hirnströme und beschreibt sie grafisch als Wellenbewegungen, ähnlich wie ein Elektrokardiogramm (EKG).

Gehirnfunktionsstörungen messen – 3 Einsatzbeispiele für das EEG

Veränderungen des EEG lassen auf bestimmte Funktionsstörungen des Gehirns schließen:

  • Bewusstseinstrübungen, Schlafstörungen, Hirnhautentzündung oder Hirntumoren können Ursache solcher Veränderungen sein. Bei zunehmender Bewusstseinsstörung (Koma) verlangsamen sich beispielsweise die per EEG aufgezeichneten Hirnstrom-Aktivitäten.
  • Ein ungewöhnliches Wellenbild liefert Hinweise auf ein Anfalls- oder Krampfleiden (Epilepsie). Bei solchen Erkrankungen spielt das EEG auch eine wichtige Rolle für Verlaufskontrolle und Therapieüberwachung.
  • In der Schlafmedizin können mittels EEG Erkenntnisse über physiologische und pathologische Abläufe (Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Weckreaktionen, schlafbezogene Atmungsstörungen) gewonnen werden.

Gehirnaktivität mit MRT messen

In den letzten Jahrzehnten haben sich weitere Methoden entwickelt, um Gehirnaktivitäten zu messen und zu lokalisieren, darunter die die funktionelle Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRT). Die fMRT bestimmt die Aktivität von Nervenzellverbänden indirekt, indem sie die Sauerstoffkonzentration im Blut von Hirngefäßen misst.

Sauerstoffgehalt zeigt Hirnaktivität

Dazu nutzt die fMRT den folgenden Zusammenhang: Nervenzellen benötigen für ihre Arbeit Energie, die sie durch die Verbrennung von Nährstoffen erzeugen. Sowohl die Nährstoffe wie Traubenzucker (Glukose) als auch der zur Verbrennung notwendige Sauerstoff gelangen über das Blut in das Gehirn. Bei erhöhter Aktivität entziehen die Nervenzellen dem vorbeiströmenden Blut mehr Sauerstoff – daher muss der Körper bei "erhöhter Denkarbeit“ die Blutzufuhr im aktiven Gebiet steigern.

Verantwortlich für den Sauerstofftransport im Blut ist das Hämoglobin. Es ändert seine magnetischen Eigenschaften, wenn es Sauerstoff abgibt. Diese Veränderung misst das fMRT. Ärzte können so millimetergenau bestimmen, wo und wie sich der Sauerstoffgehalt in einem bestimmten Gehirnareal ändert, was Rückschlüsse auf die Aktivität von Nervenzellen zulässt.

Gehirn-Karte mittels fMRT zeichnen

Computergestützte Verfahren und fMRT ermöglichen so eine „Kartographie“ des Gehirns: Die Zuordnung bestimmter Aufgaben zu definierten Gehirnregionen. fMRT-Untersuchungen erlauben es zum Beispiel, die Gehirnaktivität beim Sprechen oder beim Sprachverstehen von außen zu messen. Dabei hat sich gezeigt, dass bestimmte stirnseitige (frontale) und schläfenseitige (temporale) Gebiete der linken Gehirnhälfte am Sprachverstehen und an der Sprachbildung beteiligt sind. Aber auch die rechte Hemisphäre ist bei der Sprachverarbeitung aktiv, wobei dort vor allem Aspekte der Satzmelodie verarbeitet werden.

Gehirn in 3D mit PET

Ein weiteres computergestütztes Schnittbildverfahren ist die Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Bei dieser Methode werden zunächst in einem Zyklotron chemische Substanzen oder auch körpereigene Stoffe wie Glukose radioaktiv markiert. Nach Injektion dieser Substanzen in den Blutkreislauf, tastet ein PET-Scanner das Gehirn ab. Aus den entstandenen Daten erstellt der Rechner zwei- oder dreidimensionale Bilder. Sie zeigen, wie sich die radioaktive Substanz im Gehirn ausgebreitet hat und damit das Ausmaß der Aktivität in einzelnen Gehirnregionen. So ermöglicht eine PET Rückschlüsse über die Arbeitsweise des Gehirns.

Gehirnforschung in Aufbruchsstimmung

Die modernen bildgebenden Verfahren ermöglichen es heute, dem Gehirn bei der Arbeit zuzuschauen. Sie geben einzelne Verarbeitungsschritte des Gehirns in Sekundenbruchteilen und räumlich auf millimetergenau wieder. So entstehen Bilder, die Gehirnaktivitäten räumlich und zeitlich darstellen.

 

Letzte Aktualisierung: 25.06.2019

REFERENZEN

Quelle:
Modifiziert nach: Bear M. F. et al., Neurowissenschaften, Ein grundlegendes Lehrbuch für Biologie, Medizin und Psychologie, 4. Auflage 2018, Springer-Verlag, ISBN: 978-3-662-57262-7, Zugriffsdatum 25. Mai 2018: https://www.springer.com/de/book/9783662572627