SO FUNKTIONIERT DAS NERVENSYSTEM

Herzschlag, Verdauung und der schützende Lidschlagreflex funktionieren unbewusst. Diese Abläufe steuert bei Gesunden das Nervensystem – selbstständig. Es koordiniert zudem alle bewussten Körperfunktionen wie die Bewegung und Gehirnaktivitäten wie das Gedächtnis und die Entscheidungsfindung.

Die verschiedenen Strukturelemente des Nervensystems funktionieren in einem komplexen Zusammenspiel der Sinnes- und Nervenzellen, Gehirnregionen, Muskeln und Organe.

Der Komplexitätsgrad des Nervensystems beim Menschen liegt weit über dem anderer Organsysteme. Diese „Verschaltungsvielfalt“ beruht auf unzähligen Nervenzellen. Daher hat das Nervensystem den höchsten Energiebedarf aller Organsysteme im Körper 1.

Der folgende Überblick fasst die wichtigsten Abläufe im Nervensystem zusammen.

Das Nervensystem – Grundbaustein Nervenzelle

Das Nervensystem steuert die Abläufe im gesamten Körper. Daher ist es mit allen Organen verbunden. Die Grundbausteine des Nervengewebes sind die Nervenzellen (Neurone) mit ihren umgebenden Gliazellen. Gliazellen wirken isolierend und sorgen für mechanische Stabilität. Die einzige Aufgabe der Nervenzellen ist, Reize als elektrische Signale mit hoher Geschwindigkeit über große Distanzen zu leiten. Dabei übertragen sie diese Reize untereinander – von Nervenzelle zu Nervenzelle – mit auf biochemischem Weg: über Synapsen [1]. Abschließend einige Zahlen: Das menschliche Gehirn besitzt rund 100 Milliarden Nervenzellen. Sind über Nervenbahnen mit einer Gesamtlänge von 5,8 Millionen Kilometer (145 Mal der Erdumfang) mit dem gesamten Körper verbunden [2].

Das Nervensystem arbeitet nach dem EVA-Prinzip

Das Nervensystem besteht aus drei Teilen nach dem EVA-Prinzip – Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe:

  1. Eine Reizeingabe über beispielsweise Sinnesorgane,
  2. Eine Einheit, die die Informationen verarbeitet (Gehirn) und
  3. eine motorische Ausgabe als Reaktion (Muskeln).

Steuerung durch das Zentrale Nervensystem

Die Steuerung des Nervensystems übernimmt das Zentrale Nervensystem (ZNS). Es besteht aus Gehirn und Rückenmark. Das ZNS ist doppelseitig symmetrisch aufgebaut. Stabile Knochenstrukturen – Schädelknochen und Rückenwirbel – schützen es mechanisch. „Hirnnerven“ haben ihren Anfang im Gehirn. Es gibt zehn echte Hirnnervenpaare. Alle übrigen Nerven kommen als „Spinalnerven“ aus Rückenmark – insgesamt 31 Spinalnervenpaare1.

Peripheres Nervensystem zur Vernetzung

Daneben sorgt das Periphere Nervensystem (PNS) für eine umfassende Vernetzung mit den übrigen Körperteilen. Es leitet zum einen dem ZNS Informationen aus der Körper-Peripherie und von den Sinnesorganen weiter. Anschließend übermittelt es die Antworten des ZNS an Zielorgane – darunter Muskeln, Drüsen oder andere Abschnitte des verzweigten Nervensystems. Die Nervenzellen haben sich entsprechend ihrer Aufgaben spezialisiert:

  • Sensible Neuronen nehmen Informationen auf,
  • Interneuronen verarbeiten die Informationen und
  • Motoneuronen veranlassen eine Organantwort, z. B. die Kontraktion eines Muskels1.

2 Nervensysteme für innen und außen

Das Nervensystem ermöglicht dem Körper sowohl mit der Umwelt als auch mit seinen Organen zu interagieren. Dazu bestehen zwei Funktionskreise:

1. Das somatische Nervensystem verarbeitet Reize der Umwelt außerhalb des Körpers.
Es lässt sich willentlich beeinflussen und steuert mit seiner quergestreiften Muskulatur den Bewegungsapparat („Willkürliches Nervensystem“). Der überwiegende Teil des Somatischen Nervensystems liegt direkt im ZNS. Dort laufen die äußeren Sinnesreize zusammen: über Augen (Licht, Farbe, Form), Ohren (Gehör, Gleichgewichtssinn), Nase (Geruch, Geschmack) ein Informations-Subsysteme des Somatische1.

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2. Das vegetative Nervensystem koordiniert die Funktionen im Körperinneren.
Das Vegetative Nervensystem entzieht sich der willkürlichen Kontrolle und steuert die „Vitalfunktionen“ wie Atmung, Blutdruck, Körpertemperatur, Herzschlag, Verdauung, Stoffwechsel und Sexualität. Es kontrolliert dazu die glatte Muskulatur der Eingeweide und Gefäße, die Herzmuskulatur und die Drüsen. Das Vegetative Nervensystem hält die gleichmäßige Funktion und das Gleichgewicht dieser Organe aufrecht. Im Gegensatz zum somatischen Nervensystem ist das Vegetative Nervensystem nur zu einem geringen Teil im ZNS präsent1.

Die Nervensystem-Gegenspieler: Sympathikus und Parasympathikus

Das Vegetative Nervensystem beeinflusst die glatte Muskulatur der Körperorgane mithilfe von Botenstoffen (Neurotransmitter) auf biochemischem Wege. Dazu teilt es sich in zwei funktionell getrennte, konkurrierende Untersysteme:

(1) Das Sympathische Nervensystem aktiviert:
Seine Aufgabe ist es, eine schnelle Leistungssteigerung des Gesamtorganismus bei Stress, Kampf oder Flucht zu garantieren. Dazu aktiviert es das Herz-Kreislauf- und das Atmungssystem, steigert den Blutdruck (Verengung der Blutgefäße) und die Energiebereitstellung aus Glukose. Dagegen reduziert es Verdauungsprozesse. Die wirksamen Neurotransmitter sind Noradrenalin und Adrenalin.

(2) Das Parasympathische Nervensystem dämpft.
Der Gegenspieler Parasympathisches Nervensystem reduziert den Energieverbrauch. Es senkt Herz- und Atemfrequenz auf einen Basiswert. Zudem steigert es die Drüsensekretion, um den körpereigenen Stoffwechsel und den Aufbau von Reserven zu fördern. Dazu setzt das Parasympathische Nervensystem den Botenstoff Acetylcholin frei.
Nicht in allen Organen arbeiten die beiden Systeme gegeneinander. Die kleinen Arterien (Arteriolen) werden ausschließlich vom sympathischen Nervensystem angeregt. Manchmal kooperieren beide System, beispielsweise beim Pupillenreflex1.

Hypothalamus als Steuerzentrale des Vegetativen Nervensystems

Das Vegetative Nervensystem wird von einem speziellen Teil des Zwischenhirns, dem Hypothalamus, überwacht. Er ist das integrierende Zentrum aller vegetativen Aktivitäten. Zudem ist der Hypothalamus das oberste Kontrollorgan für den Hormonhaushalt des Organismus. Somit werden die beiden zentralen Steuerungssysteme für das innere Gleichgewicht des Körpers von der gleichen Gehirnregion koordiniert1.

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Das dritte Nervensystem – das Bauchhirn

Neben dem Sympathischen und Parasympathischen Vegetativen Nervensysteme, besteht ein drittes Nervensystem: das Intramurale Nervensystems oder Enterisches Nervensystem (ENS). Das ENS arbeitet auch ohne, dass auch ohne Einfluss von Sympathikus oder Parasympathikus. Es besteht aus einem komplexen Neuronen-Geflecht, das als dünne Schicht nahezu die gesamten Verdauungsmuskeln des Magen-Darm-Trakts durchzieht. Dabei handelt es sich um rund 100 Millionen Nervenzellen – vier- bis fünfmal mehr als im Rückenmark. Mit dem ZNS ist das ENS über den zehnten Hirnnerv, den „Nervus Vagus“, verbunden. Er ist der auch der Hauptnerv des parasympathischen Systems. Als Neurotransmitter sind beim ENS Serotonin und Dopamin wichtig.

Das „Bauchhirn“ ist spiegelbildlich zum eigentlichen Gehirn organisiert, was Zelltypen, Rezeptoren und Wirkstoffe betrifft. Zudem führen zehnmal mehr Nervenverbindungen vom Bauch in das Gehirn als umgekehrt.

Letzte Aktualisierung: 11.05.2021

REFERENZEN

[1] Modifiziert nach: Michael-Titus, A. et al., Organsysteme verstehen - Nervensystem, 1. Auflage 2018, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, ISBN: 9783437429972, Zugriffsdatum 05. Juni 2018: https://shop.elsevier.de/organsysteme-verstehen-nervensystem-9783437429972.html?gclid=EAIaIQobChMI07OKo5a42wIVRmQZCh1JGQ0XEAQYAiABEgJUQfD_BwE
[2] Welt in Zahlen – Das Gehirn, [w] wie wissen, Herausgeber: Bayerischer Rundfunk, Anstalt des öffentlichen Rechts, Stand: 04.08.2015, Zugriffsdatum 05. Juni 2018: http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/2009/welt-in-zahlen-das-gehirn-100.html