Dengue-Fieber
Das Dengue-Fieber ist ein weltweites Gesundheitsproblem. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist von Ansteckung bedroht. Umso bedeutender ist der Durchbruch, der mit einem neuen Impfstoff von Sanofi-Pasteur erzielt wurde. Seit Dezember 2015 ist er in ausgewählten Ländern Asiens und Südamerikas zugelassen.
Die Krankheit kann so schwer verlaufen, dass die Infizierten mehrere Wochen stark geschwächt und arbeitsunfähig sind. Im Extremfall verläuft die Infektion tödlich. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat daher Dengue den Kampf angesagt. Neben der Bekämpfung der Mücken, die das Virus übertragen, spielt die Entwicklung von Impfstoffen eine wesentliche Rolle. Hier wurde ein Meilenstein erreicht: Seit Dezember 2015 ist ein erster Impfstoff von Sanofi Pasteur zugelassen; zunächst in Mexiko, inzwischen auch in weiteren Ländern. Impfkampagnen haben bereits begonnen.
"Alles tat weh. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich die winzigen Muskeln hinter meinen Augäpfeln spüren. Sie schmerzten. Alles schmerzte. (…) Das Virus bewirkte, dass von jedem Knochen in meinem Körper ein starker Schmerz ausging."
So schildert der Entwicklungshelfer Robyn Correll Carlyle seine Erfahrung mit dem Dengue-Fieber, einer Viruserkrankung, die wegen der starken Knochen- und Muskelschmerzen auch "Knochenbrecher-Fieber" genannt wird. Plötzlich einsetzendes hohes Fieber und häufig ein rötlicher Hautausschlag gehören ebenfalls zu den Symptomen einer erstmalig durchgemachten Infektion. Im "Fact sheet" der Weltgesundheitsorganisation WHO heißt es:
"Der Verdacht auf Dengue besteht, wenn hohes Fieber (40°C) von zwei der folgenden Symptome begleitet wird: heftige Kopfschmerzen, Schmerzen hinter den Augen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, geschwollene Drüsen oder Hautausschlag."
Eine Diagnose (siehe gesonderter Beitrag) erfolgt entweder über das Erbgut des Virus oder im Nachhinein über den Nachweis von Dengue-spezifischen Antikörpern.
Bei den meisten Patienten klingen die grippeähnlichen Beschwerden nach einer Woche wieder ab. Doch die Betroffenen erholen sich oft nur langsam. Es gibt jedoch auch nahezu symptomfreie Infektionen.
Andererseits kann es auch zu einem schweren, in wenigen Prozent der Fälle tödlichen Verlauf kommen, dem hämorrhagischen Dengue-Fieber. Hierbei sinkt die Körpertemperatur nach einigen Tagen wieder auf unter 38°C; es treten heftige Bauchschmerzen, anhaltendes, evtl. blutiges Erbrechen, rasche Atmung, blutendes Zahnfleisch, Erschöpfung und Ruhelosigkeit auf. Ursache sind schwere innere Blutungen und der Austritt von Blutplasma. In der Folge kann es zu Organversagen und einem (evtl. komatösen) Dengue-Schocksyndrom kommen. Dieses geht mit Tachykardie, Hypotonie, Kaltschweißigkeit, Blässe und roten Punkten (Einblutungen) der Haut einher. Sobald sich Anzeichen eines hämorrhagischen Fiebers zeigen, ist unbedingt die Einweisung in ein Krankenhaus erforderlich. Eine spezifische Therapie ist allerdings nicht möglich; wichtig ist vor allem die Gabe von ausreichend Flüssigkeit.
Viren in vier verschiedenen Varianten
Die Gefahr eines schweren Verlaufs ist nicht der einzige tückische Aspekt bei der Dengue-Infektion. Wer sie einmal überstanden hat, ist nämlich nicht lebenslang dagegen immunisiert wie bei vielen anderen Infektionskrankheiten. Denn die Krankheit wird von Viren ausgelöst, die in vier verschiedenen Varianten (Serotypen, DENV-1/2/3/4) auftreten. Ein fünfter Serotyp kommt nur bei Tieren vor. Langfristige Immunität besteht nur gegen den Serotyp, mit dem der Betroffene bereits infiziert war. Dagegen verläuft eine neue Infektion mit einem anderen Virus-Serotyp deutlich schwerer als die erste. Es kommt dann häufiger zu einem hämorrhagischen Dengue-Fieber oder einem Schocksyndrom. Als Grund vermuten Experten das Vorhandensein von "infektionsverstärkenden Antikörpern" .
Das Dengue-Virus zählt zur Gruppe der Flaviviren. Es handelt sich um Viren mit einsträngiger RNA, zu denen auch die Erreger folgender Infektionskrankheiten zählen:
- Gelbfieber
- Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
- West-Nil-Fieber
- Hepatitis C
- Zika-Virus-Infektion.
Übertragung durch Stechmücken
Übertragen wird das Dengue-Fieber durch weibliche Stechmücken, vor allem der beiden folgenden Arten:
- Gelbfiebermücke (Aedes aegypti, auch Stegomyia aegypti)
- Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus, auch Stegomyia albopicta)
Die Gelbfiebermücke ist im gesamten Tropengürtel der Erde verbreitet. Die Asiatische Tigermücke kommt auch in höheren Breiten vor, so regelmäßig in Südeuropa. Auch im Oberrheintal ist sie sporadisch anzutreffen. Da die Dengue-Viren in Europa aber nicht heimisch sind, spielt sie als Überträgerin hier zu Lande nur ausnahmsweise eine Rolle. Das für die Überwachung von Infektionskrankheiten zuständige Robert-Koch-Institut berichtete in den vergangenen Jahren über deutsche Reisende, die sich auf Madeira und in Kroatien mit Dengue angesteckt haben. Wesentlich häufiger sind Infektionen von Menschen, die aus tropischen Ländern mit Dengue-Fieber zurückkehren, etwa aus Thailand.
Weltweit starke Zunahme
Inzwischen ist das Dengue-Fieber in 128 Ländern endemisch. Laut der Weltgesundheitsorganisation handelt es sich um die am schnellsten ausbreitende, durch Mücken übertragene Krankheit. Britische und US-Forscher schätzten im Jahr 2012 die Zahl der potenziell Betroffenen auf 3,9 Milliarden Menschen, schreibt die WHO in ihrem "Factsheet" zum Dengue-Fieber. Der Erreger gefährdet also etwa die Hälfte der Weltbevölkerung.
Wie viele Menschen tatsächlich infiziert werden, lässt sich nur grob abschätzen. Denn eine Meldepflicht gibt es in den meisten betroffenen Ländern nicht. Die erwähnten Experten aus Großbritannien und den USA veröffentlichten 2013 in der Zeitschrift "Nature" unter anderem auf der Basis von gemeldeten Infektionen eine Zahl zwischen 284 und 528 Millionen Infizierten pro Jahr. Zwischen 67 und 136 Millionen Menschen erkranken tatsächlich, wobei alle Schweregrade zusammengefasst werden (Vertrauensbereich jeweils 95 Prozent).
Wo es doch eine Meldepflicht gibt, wird häufig eine starke Zunahme des Dengue-Fiebers beobachtet. So gab es 2015 in Brasilien 1,649 Millionen gemeldete Infektionen. Das sind 178 Prozent mehr als 2014, schreibt die Deutsche Apotheker-Zeitung. Als Gründe führen Experten unter anderem die zunehmende Verstädterung, unzureichende Abwasserentsorgung und die Zunahme von Niederschlägen in Folge des Klimawandels an. Je mehr Pfützen und Tümpel vorhanden sind, desto besser vermehren sich die Überträger-Mücken. Mittelfristig wird auch erwartet, dass das wärmere Klima zu einer Ausbreitung des Dengue-Fiebers in höhere Breiten führt, etwa nach Südeuropa. So wurde 2012 erstmals die Vermehrung Dengue-infizierter Mücken auf Madeira nachgewiesen; dort kam es zu einzelnen Infektionen, berichtete das Robert-Koch-Institut. Auch in Japan sind solche "autochthone" Fälle aufgetreten.
Da eine spezifische Therapie nicht existiert, kommt der Vorbeugung von Infektionen umso größere Bedeutung zu. Zum persönlichen Schutz vor Mückenstichen tragen etwa Repellent-Sprays, lange Kleidung oder Moskitonetze bei. Regierungen der betroffenen Länder empfehlen außerdem, die Brutstätten der Mücken möglichst zu eliminieren, etwa Wasserbehälter und Altreifen, in denen Pfützen stehen. Vielerorts werden auch Insektizide verwendet. Brasilien hat dazu Ende 2015 sogar Soldaten eingesetzt. Denn in dem südamerikanischen Land verbreiten die Gelbfiebermücken auch das vor allem von Schwangeren gefürchtete Zika-Virus. Mit diesen Maßnahmen zur "Vektorkontrolle" lassen sich alle Infektionskrankheiten eindämmen, die von Mücken übertragen werden. Speziell bei den Aedes-Mücken ist der Erfolg allerdings begrenzt. Denn ihre Eier überleben auch mehrmonatiges Austrocknen, sodass sie immer wieder dort auftauchen, wo die Insekten als ausgerottet galten.
Impfstoff von Sanofi Pasteur
Deshalb ist es ein entscheidender Fortschritt, dass seit Ende 2015 ein Impfstoff von Sanofi Pasteur zur Verfügung steht. Seit Jahrzehnten haben Wissenschaftler daran gearbeitet: Erste Forschungen zu einem Dengue-Impfstoff haben bereits 1929 begonnen. Eine besonders schwierige Entwicklung, denn:
- Es gibt kein gutes Tiermodell.
- Der Impfstoff muss wegen der "infektionsverstärkenden Antikörper" gegen alle vier Serotypen schützen.
Hadinegoro et al. haben 2015 die Daten aus mehreren klinischen Studien rückblickend ausgewertet, bei denen der Impfstoff drei Mal im Abstand von je 6 Monaten verabreicht wurde. Die wichtigsten Ergebnisse waren:
- 25 Monate nach der ersten Impfdosis waren in der Gruppe der 9- bis 16-Jährigen zwei Drittel der Geimpften vor Dengue geschützt.
- Bei den unter 9-Jährigen waren es 45 Prozent.
- Der Impfstoff wird von über 9-Jährigen gut vertragen.
- In der Altersgruppe der 2- bis 5-Jährigen kam es bei den Geimpften jedoch gelegentlich zu schweren Dengue-Verläufen, die eine Einweisung ins Krankenhaus erforderlich machten.
Dementsprechend hat die "SAGE"-Arbeitsgruppe der WHO im April 2016 die Einführung nur für mindestens 9-Jährige Kinder empfohlen, und nur für Länder, in denen mindestens 70 Prozent der Menschen mit dem Dengue-Virus infiziert sind.
Der neue Impfstoff ist inzwischen in mehreren besonders betroffenen Ländern für Menschen im Alter zwischen 9 und 45 Jahren zugelassen. Im Februar 2016 hat eine erste Impfkampagne für eine Million Schüler auf den Philippinen begonnen. Sanofi-Experten erwarten, dass in der entsprechenden Altersgruppe eine Impfrate von 20 Prozent ausreicht, um die Zahl der Dengue-Infektionen innerhalb von fünf Jahren um etwa 50 Prozent zurückgehen zu lassen. Dies entlastet wegen der hohen Kosten auch die Wirtschaft der betroffenen Länder. Und die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Zika-Virus hat ebenfalls begonnen.
Autor: Dr. Hellmuth Nordwig
Broschüren:
Sanofi-Broschüre: DENGUE VACCINE: Protection from pre-adolescence to adulthood (pdf)
Letzte Aktualisierung: 04.08.2016