Multiple Sklerose
Multiple Sklerose ist eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems, deren Verlauf schwer vorherzusagen ist. Auch viele Details im Krankheitsprozess sind bisher nicht entschlüsselt.
Bei etwa 3000 Menschen jährlich stellen Ärzte in Deutschland eine Diagnose, die das Leben der Betroffenen von Grund auf verändert: Multiple Sklerose. Für viele Patienten kommt dieser Befund aus heiterem Himmel, denn die Symptome sind zunächst eher uncharakteristisch: In einem Fall fällt das Besteck aus der Hand, dann wirkt plötzlich das vertraute Bild an der Wand verschwommen, und immer häufiger heißt es, man sei vergesslich geworden. Nach ein paar Tagen ist zunächst alles beim Alten, bis die merkwürdigen Erscheinungen von neuem und dann verstärkt auftreten.
Insgesamt, so schätzen Epidemiologen, gibt es hier zu Lande etwa 122.000 Multiple-Sklerose-Patienten, das entspricht einer Häufigkeit von etwa 150 pro 100.000 Einwohner. Ungeklärt ist bisher, warum die Krankheit in warmen Ländern wesentlich seltener ist: Bei südafrikanischen Weißen sind es zum Beispiel nur 10 Fälle auf 100.000 Einwohner. Frauen sind etwa zwei bis drei Mal so häufig betroffen wie Männer – die Gründe dafür sind bisher ebenso unbekannt.
Unterschiedlicher Verlauf
Multiple Sklerose ist eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems, deren Verlauf schwer vorherzusagen ist. Auch viele Details im Krankheitsprozess sind bisher nicht entschlüsselt. Die wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte legen nahe, dass der Multiplen Sklerose eine Autoimmunreaktion zu Grunde liegt. Vermutlich auf Grund einer Infektion wird eine bestimmte Population von T-Zellen aktiviert, die sich gegen das körpereigene Myelin wenden. Dieser Eiweißstoff umhüllt Teile der Nervenzellen (Axone) und hat wesentliche Funktionen bei der Weiterleitung der Signale.
Der Angriff des eigenen Immunsystems führt dazu, dass in den betroffenen Bereichen die Myelinscheiden abgebaut werden. Die Darstellung dieser entzündlichen Herde durch die Magnetresonanztomographie ist inzwischen neben der klinischen Untersuchung und Befragung des Patienten die sicherste Diagnose der Multiplen Sklerose.
Bisher ist jedoch trotz intensiver Forschung unbekannt, welche Erreger diesen Prozess auslösen und welche Antigene des Zentralnervensystems die autoreaktiven T-Zellen „bekämpfen“. Diese Tatsache erschwert bisher die rationale Entwicklung von Wirkstoffen gegen die Multiple Sklerose.
Neben der Demyelinisierung kommt es häufig bereits in frühen Stadien der Krankheit zu einer Schädigung der Axone selbst. Ihre Bedeutung wurde lange Zeit unterschätzt; möglicherweise spielen sie eine wesentliche Rolle beim Entstehen jener MS-Symptome, die sich nach Ende des Schubs nicht vollständig zurückbilden.
Das Ausmaß des Myelinabbaus und der Axonschäden ist von Patient zu Patient ebenso unterschiedlich wie der klinische Verlauf. Neben einer chronisch progredienten Verlaufsform, mit einer stetigen Zunahme der Behinderung, gibt es den schubförmigen Verlauf mit weitgehender Symptomfreiheit zwischen den einzelnen Schüben.
Für den Patienten sind die Symptome von Schub zu Schub belastend und können die ganze Palette neurologischer Probleme umfassen: Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Koordinations- und Bewegungsprobleme, Sprachstörungen, extreme Müdigkeit und Erschöpfung, Abgeschlagenheit, emotionale Labilität (etwa unkontrolliertes Lachen oder Weinen) und Depressionen.
Der Alltag ist deutlich beeinträchtigt – sei es durch den fehlenden Antrieb oder weil die Patienten am Arbeitsplatz rasch ermüden. Nach zehn bis 20 Jahren ist jeder dritte MS-Patient auf den Rollstuhl und auf ständige fremde Hilfe angewiesen.
Bislang keine ursächliche Therapie
Eine ursächliche Therapie der Multiplen Sklerose ist derzeit noch nicht möglich. Akute Schübe werden durch die Gabe von hoch dosierten Kortikosteroiden behandelt. Diese Therapie führt dazu, dass die Dauer und die Ausprägung des Schubes reduziert sind, hat allerdings keine deutlichen Langzeiteffekte.
Die Dauerbehandlung der schubförmigen Verlaufsform besteht in einer immunmodulatorischen Behandlung. Ihr Ziel ist es, die autoaggressive T-Zell-Population möglichst unschädlich zu machen. Es wird davon ausgegangen, dass mit einer immunmodulatorischen Therapie so früh wie möglich begonnen werden sollte. Dabei wird die Immunmodulation in der Regel mit Beta-Interferonen und/oder Glatiramer-Azetat durchgeführt.
Letzte Aktualisierung: 25.03.2014