Altersdemenz und Alzheimer
Mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung steigt die Zahl dementieller Erkrankungen. Dabei bedeutet vor allem die Alzheimer-Krankheit für Ärzte und pflegende Anverwandte eine große Herausforderung.
Das Spektrum dementieller Erkrankungen reicht von leichtgradigen Formen der Beeinträchtigung bis hin zu chronischen, irreparablen Störungen der Geistesfunktionen und der Persönlichkeit. Hierzu zählt auch die unabhängig vom Alter auftretende Demenz vom Alzheimer-Typ oder Alzheimer-Krankheit. Sie ist heute die weitaus häufigste Demenzform im höheren Alter.
Obwohl bei den meisten Formen dementieller Erkrankungen noch keine kausale Therapieform gefunden wurde, steht doch eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können.
Entscheidende Weichen für eine entsprechende Therapie müssen möglichst früh gestellt werden. Dabei ist auch zu beachten, dass die Verbesserung der Lebensqualität von dementen Patienten gleichzeitig auch eine bedeutende Entlastung für die betreuenden Angehörigen darstellt.
Verständnis gewandelt
Alzheimer: Der Name des bedeutenden deutschen Nervenarztes ist zum Schreckenswort geworden, seit er für die von ihm beschriebene heimtückische Gehirnzersetzung steht. Noch vor nicht allzu langer Zeit war die Krankheit in Deutschland nahezu unbekannt. Heute sind hierzulande deutlich über 1 Mio. Menschen davon betroffen. Damit ist die Alzheimer-Krankheit inzwischen die bei weitem häufigste Demenzform im höheren Alter.
Dieser immense Zuwachs geht zum einen darauf zurück, dass sich der Bedeutungsgehalt des Demenzbegriffs gewandelt hat: Verstand man darunter früher schwere Endzustände sowie chronische und irreparable Störungen höherer Geistesfunktionen und der Persönlichkeit, so werden der Demenz in den neueren Klassifikationssystemen auch leichtgradige Formen von Beeinträchtigungen zugeordnet.
Auch das Verständnis der Alzheimer-Krankheit hat sich aufgrund neuerer Forschungsergebnisse geändert: Zunächst bezeichnete man damit nur den Verlust der Verstandesfunktionen im mittleren Lebensalter. Es zeigte sich jedoch, dass sich diese relativ selten vorkommende präsenile Demenz weder klinisch noch anatomisch von der sehr viel häufigeren senilen Demenz abgrenzen lässt. Daher werden derartige Hirnprozesse heute unabhängig vom Erkrankungsalter als Demenz vom Alzheimer Typ oder Alzheimer-Krankheit bezeichnet.
Deren starke Zunahme in der Bevölkerung ist bedingt durch die sich stetig verändernde Altersstruktur. In Westeuropa erreichen gegenwärtig sehr viel mehr Menschen ein hohes Alter als früher. Obwohl sich die biologisch bestimmte Altersgrenze nur unbedeutend nach oben verschoben hat, steigt der Anteil der Hochbetagten ständig an.
Betreuung durch den Hausarzt
Nur sehr wenige ältere Menschen mit psychiatrischen Krankheiten befinden sich in nervenärztlicher Behandlung. Fast alle aber werden durch ihren Hausarzt betreut. So kommt in der Allgemeinpraxis im Mittel bei jedem vierzigsten und in der Nervenarztpraxis bei jedem zehnten Patienten eine behandlungsbedürftige Hirnleistungsstörung vor.
Viele Ärzte sind beinahe täglich mit den Klagen älterer Patienten konfrontiert, dass ihr Gedächtnis nachlasse, sie sich schlechter konzentrieren könnten oder ihnen gewohnte Tätigkeiten neuerdings schwer fielen. Angegeben werden ferner allgemeine Lustlosigkeit, schlechter Nachtschlaf und diffuse körperliche Beschwerden, für die sich keine organischen Ursachen feststellen lassen.
Häufig sind es auch die Angehörigen, die sich aus Sorge um den geistigen Gesundheitszustand eines Familienmitglieds an den Arzt wenden. Handelt es sich dabei nur um altersbedingte Leistungseinschränkungen? Steckt möglicherweise eine Depression dahinter? Oder hat man es mit den ersten Symptomen einer organischen Hirnleistungsstörung zu tun?
Typische Verdachtsmomente
Fünf Kriterien kennzeichnen ein Demenzsyndrom:
- Es bestehen seit mehreren Monaten Gedächtnisstörungen.
- Abstraktes Denken, Urteilsvermögen oder andere höhere Funktionen wie die Sprache sind beeinträchtigt, oder die Persönlichkeit ist verändert.
- Diese Einbußen behindern den Betroffenen, seinen Alltag in gewohnter Weise zu bewältigen.
- Die Störungen gehen nicht mit einer Bewusstseinstrübung einher.
- Es bestehen Hinweise auf organische Ursachen; Anzeichen für psychische Ursachen liegen dagegen nicht vor.
Die Diagnose eines Demenzsyndroms beginnt mit dem sorgfältigen Anamnesegespräch. Dabei sollte nicht nur der Betroffene selbst, sondern darüber hinaus eine Bezugsperson befragt werden. Denn ein Angehöriger kann am besten beurteilen, ob der Kranke so differenziert wie früher zu verschiedenen Problemen des Alltags Stellung nehmen kann oder aber in seinen geistigen Fähigkeiten nachgelassen hat.
Leistungsdefizite aufspüren
Eine Minderung der Gedächtnisleistung und der Intelligenz lässt sich am Schnellsten durch Tests feststellen, die Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen erfassen. So lassen sich in etwa 15 Minuten Orientierung, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Konzentration, Erinnerungsfähigkeit und Sprachverständnis des Patienten beurteilen.
Wenn solche Testverfahren nicht zur Verfügung stehen, kann sich der Arzt auch durch gezielte Fragen ein Bild vom Zustand des Kranken. So sollten neben persönlichen Daten auch allgemein bekannte Ereignisse angesprochen und eventuell nach einiger Zeit noch einmal aufgegriffen werden.
Gedächtnisleistungen lassen sich überprüfen, indem der Patient eine Wortliste oder einen kürzeren Text auswendig lernen soll. Wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, eine Uhr mit vorgegebener Zeigerstellung zu zeichnen, so deutet dies auf Beeinträchtigungen in der Visuskonstruktion hin.
Das Sprachvermögen wird deutlich, wenn der Patient vorgelegte Gegenstände benennen soll. Bei allen Fragen und Tests wird vom Arzt erwartet, den Patienten nicht zu überfordern oder zu beschämen.
Ein einfaches Gespräch alleine ist allerdings nicht immer geeignet, leichte Leistungsdefizite nachzuweisen – im Zweifelsfall sollte ein erfahrener Spezialist eine neuropsychologische Untersuchung vornehmen.
Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die Abgrenzung einer Demenz von anderen Krankheitsbildern. Viele ältere Menschen entwickeln ängstliche, depressive oder hypochondrische Störungen, die einer Demenz ähneln können. Bei gründlicher Nachfrage zeigt sich aber, dass sie über eine normale Gedächtnisleistung und Orientierung verfügen.
Rein äußerlich können kognitive Störungen bei Depression dem Bild einer Demenz ähneln. Im Gegensatz zum dementen Kranken zeigen depressive Patienten aber meist einen schnellen und relativ plötzlichen Krankheitsbeginn. Sie klagen über ausgeprägte Gedächtnisverluste, die sich bei einer Überprüfung jedoch eher gering ausnehmen. Zudem betonen depressive Patienten ihre Unfähigkeit und beantworten häufig auch einfache Fragen mit „ich weiß nicht“. Demente Menschen hingegen bemühen sich normalerweise um eine Antwort.
Diagnostik in Klinik und Labor
Ist eine Demenz diagnostiziert, so geht es um die Frage, welche Erkrankung ihr zugrunde liegt. Neun von zehn Demenzzuständen werden durch das Absterben von Nervenzellen und deren Verbindungen hervorgerufen und sind daher nicht umkehrbar.
Mit einem geschätzten Anteil von 65 Prozent ist die Alzheimer-Krankheit die bei weitem häufigste Ursache einer degenerativen Demenz. Höchstens weitere 15 Prozent sind durch Durchblutungsstörungen bedingt, man spricht dann von einer vaskulären Demenz. Dabei spielt jedoch die sprichwörtlich gewordene „Verkalkung“, also die Arteriosklerose der Hirngefäße, kaum eine Rolle. Vielmehr werden die Leistungsstörungen durch Hirngewebsverluste kleinerer Art – etwa als Folge von Schlaganfällen – ausgelöst. Ein Viertel der Betroffenen leidet an Mischformen aus Alzheimer- und vaskulärer Demenz.
Darüber hinaus können primär degenerative Demenzen ihre Ursache in einer Lewy-Körper-Krankheit, Parkinson-, Huntington- oder Creutzfeldt-Jakob-Krankheit haben. Einige Demenzen sind durch geeignete Behandlungsformen umkehrbar: Nämlich dann, wenn sind die Folge etwa von Alkoholmissbrauch, von Störungen des Stoffwechsel-, Hormon- oder Elektrolythaushalts sind.
Wichtige Hilfsmittel zur Differentialdiagnose einer Demenz sind laborchemische Untersuchungen von Gefäßrisikofaktoren, Nieren- und Leberparametern sowie von Blutbild und Elektrolythaushalt.
Darüber hinaus bietet die apparative Diagnostik eine Palette von aussagefähigen Methoden, die auf der Abbildung des Gehirns beruhen: Dazu zählen zum einen die strukturellen Verfahren wie Computer- und Magnetresonanztomographie, zum anderen eine Reihe von funktionellen Verfahren wie das Elektroenzephalogramm (EEG), die Single-Photonenemissionstomographie (SPECT) oder die Positronenemissionstomographie (PET). Während das EEG in Praxis und Klinik eine der am häufigsten angewendeten Zusatzuntersuchungen ist, werden so aufwendige Methoden wie SPECT und PET nur zur Klärung spezieller Fragestellungen eingesetzt.
Positronenemissionstomographie (PET)-Befunde bei einem Patienten mit Alzheimer-Krankheit (AD), einem Patienten mit einer vaskulären Demenz (VD) und einer Kontrollperson. In der oberen Reihe ist die Stoffwechselaktivität, in der unteren Reihe sind die Durchblutungswerte angegeben. Je niedriger der Stoffwechsel oder die Durchblutung, desto eher erfolgt ein Umschlag nach blau; höhere Werte werden mit rot markiert. Bei den AD-Patienten finden sich neben einer allgemeinen Stoffwechselminderung durchblutungsgeminderte Regionen. Auch das PET des VD-Patienten zeigt Stoffwechsel- und Durchblutungsminderungen.
Letzte Aktualisierung: 18.11.2015